Die Nacht hat ihre mit Sternen bestickte Decke sanft über das Land gezogen. Über den Feldern weht eine sanfte Brise. Aber so richtig kühl will es auch jetzt in der Nacht nicht werden. Die Kühe stehen auf der Weide. Sie zupfen genüsslich Grashalme von der Wiese und lauschen dem lauten Sommerkonzert der Grillen. Sie müssen in der Nacht fressen, weil es tagsüber viel zu heiß ist. Da dösen sie lieber im Schatten der Bäume und wedeln sich mit ihren Schwänzchen sanft Luft zu. Sobald der große Feuerball dann endlich hinter dem Horizont verschwunden ist, werden sie munter.
Auch unsere Freundin Thea schläft noch nicht und hat ihre Futterzeit auf den Abend verschoben.
Und wo sich die Milchkuh Thea aufhält, ist auch ihre kleine Freundin Mila, das Mäuschen, nicht weit entfernt.
Sie sitzt auf dem Rücken ihrer schwarz-weiß gescheckten Freundin. Aus gutem Grund: Die Grillen zirpen so laut, dass ein Gespräch fast unmöglich ist. Doch nah an den Ohren der Kuh kann das Mäuschen trotzdem mit ihr plaudern. Außerdem hat sie von hier oben einen viel besseren Überblick. Natürlich muss die kleine Maus etwas lauter piepsen. Das ist nun mal so, wenn man selbst klein und die beste Freundin riesengroß ist.
Ein Licht in der Ferne
Mila ist schon seit einer ganzen Weile verstummt. Sie blickt in die Dunkelheit. Irgendetwas hat ihre Aufmerksamkeit geweckt. Dann kneift sie ihre Augen zusammen, so als könnte sie dadurch besser sehen. Als könnte sie Fantasie von Wirklichkeit unterscheiden. „Thea, du wirst es nicht glauben.“, piepst die Maus. „Ich kann es ja selbst kaum glauben. Aber dort hinten schwebt ein Stückchen Käse in der Luft.“ Mila hält sich mit ihren Pfötchen den Mund zu. Sie kann es einfach nicht fassen, was sie da gerade gesagt hat. Jetzt reibt sie sich die Augen. Thea hört abrupt auf zu mampfen und hebt, das Maul voll mit Gras, ihren Kopf. „Muuuh .. Muuuh .. Muuss ich dir recht geben.“, bleibt es Thea im Halse stecken. „Ich kann es auch sehen. Ganz deutlich.“, murmelt die Kuh. Die bisher erstaunlich ruhig gebliebene Maus springt plötzlich mit einem Satz in die Luft und schreit: „Heiliger Bimbam. Dann nichts wie hin! Bitte, bitte Thea bring mich zu dem leuchtenden Käse!“
Die große Milchkuh setzt sich in Bewegung und rennt in Richtung Leuchte-Käse. Mila sitzt auf dem Kopf der Kuh und hält sich an den Ohren fest. Sie kommen der schimmernden Erscheinung näher. Erst jetzt erkennen die beiden Freunde, dass der Käse sogar richtige Löcher hat. Er schwebt in der Luft und bewegt sich dabei sanft auf und ab. Was ist das nur?
Ein leuchtender Herzenswunsch
Es ist keine Einbildung. Mila strahlt über beide Ohren. Weil sie sich über den Anblick freut. Aber auch, weil der Käse wie eine helle Lampe ihr niedliches Gesicht erhellt. Aus dem Mäuschen platzt es heraus: „Was seid ihr denn für hübsche Leuchtekäfer?“ Die kluge Thea hat sofort eine Antwort parat: „Es sind Glühwürmchen. Hunderte. Vielleicht sogar tausende, die mit ihren Körpern einen Käse formen.“ Thea freut sich weiter: „Und du hast recht, es sind eigentlich keine Würmchen, sondern kleine Käfer.“
Was die wohl hier machen, fragt sich Mila. Sie haben uns ja regelrecht angelockt, schießt es ihr durch den Kopf. Und als könnte Thea Gedanken lesen muht sie: „Weißt du Mila, man sagt, dass Glühwürmchen die tiefsten Wünsche ihrer Betrachter wahrnehmen. Diese Träume oder Gefühle stellen sie dann als leuchtendes Bild dar. Sie zeigen uns, wonach sich unser Herz am meisten sehnt – oft ohne, dass wir es selbst wissen. Ist das nicht großartig?“ Ja, das kann Mila bestätigen. Sie hat schon so lange keinen Käse mehr genascht. Unentwegt muss sie an die gelbe Köstlichkeit denken.
Die Leuchtekäfer
Mila schaut sich die kleinen fliegenden Laternen etwas genauer an. Sie ist unglaublich fasziniert von dem intensiven Leuchten. Thea erklärt, dass Glühwürmchen ihr Licht von selbst herstellen. Ihr durchsichtiges Hinterteil lässt das Licht nach außen strahlen. Damit locken sie einen Partner oder eine Partnerin an. Nach der Paarung erlischt ihr Licht.
Mila staunt weiter: „Warum habe ich die Glühwürmchen noch nie gesehen? Und warum sind hier so viele?“ Die Kuh versucht den Wissensdurst ihrer interessierten Freundin zu stillen. Sie erklärt, dass Glühwürmchen nur nachts glühen. Tagsüber verstecken sie sich in feuchten, schattigen Gebieten. Leider werden sie immer seltener. Schuld daran ist die Veränderung unseres Klimas. Aber auch, weil es nachts durch die hellen Städte und Dörfer nicht mehr richtig dunkel wird. Das mögen sie nicht.
Mehr Lebensraum für Glühwürmchen
Thea und Mila sitzen auf dem weichen Moos. Es ist still. Sie betrachten das Naturschauspiel der Leuchtekäfer. Langsam, ganz allmählich löst sich die Käse-Formation auf und die Käfer fliegen in alle Himmelsrichtungen davon. Mila seufzt leise und fragt Thea um Rat: „Wie kann den Insekten geholfen werden?“ Thea muss an den Bauern denken: „Die Menschen können Lampen aus ihren Gärten entfernen. Außerdem können sie Laub liegen lassen, da sich Glühwürmchen und andere Tiere darin verkriechen. Auch in Mauerritzen, Asthaufen und feuchten Wiesen leben sie gern. Allgemein sollte alles natürlich gestaltet sein. Und Dünger ist Gift für die sensiblen Geschöpfe.
Wieder ist es still. Und jetzt auch stockfinster. Die Maus und die Kuh sitzen eng aneinander gekuschelt da. Thea durchbricht die Stille: „Mila, es gibt auch noch andere Tiere die leuchten können. Kennst du welche?“
Kennt ihr weitere Tiere, die leuchten?*
*Neben Glühwürmchen können auch Tiefseefische, Quallen oder Pilze leuchten. Dieses Phänomen nennt die Wissenschaft „Biolumineszenz“.
