Nachgefragt bei: Herdenmanagerin Sara Oswald

Nichts ist schöner als eine gesunde Kuh!

Von den 44 Mitarbeitern im Landwirtschaftsbetrieb Lichtenberger Agrar GmbH & Co. KG sind zwölf Frauen. Zu ihnen gehört Sara Oswald. Sie arbeitet dort als Herdenmanagerin, sicher kein typischer Beruf für eine Frau – aber genau das richtige für Sara. Warum sie ihren Job so liebt und was man sich unter dem Beruf vorstellen muss, das haben wir sie gefragt.

1. Bitte stellen Sie kurz den Betrieb vor, in dem Sie arbeiten.

Die Lichtenberger Agrar GmbH & Co. KG ist ein Agrarunternehmen mit Sitz in der sächsischen Gemeinde Lichtenberg in der Westlausitz. Wir sind spezialisiert auf die Bereiche Milchproduktion, Jungrinder- und Kälberaufzucht, Marktfrucht- und Futterbau sowie auf die Erzeugung von Biogas durch Gülle. Wir arbeiten schon seit 1972 als Lieferant für Heinrichsthaler.

2. Wie viele Mitarbeiter zählt das Unternehmen und wie lange sind Sie dort bereits beschäftigt?

Zurzeit haben wir 44 Mitarbeiter angestellt, darunter drei Azubis in den Bereichen Pflanzenbau und Tierproduktion sowie eine Studentin im dualen Studium der Agrarwissenschaften. Ich selbst arbeite seit 2016 in dem Betrieb, zuvor als Herdenbetreuerin und seit ca. drei Jahren als Herdenmanagerin. Davor konnte ich in anderen Bereichen Erfahrungen sammeln, zum Beispiel in der Schweineproduktion oder in einer Tierklinik.

3. Wie viel Milch wird täglich produziert – und wo befinden sich die Tiere?

Täglich werden bei uns ca. 26.000 Kilogramm Milch produziert. Die Milchmenge schwankt saisonal und in Abhängigkeit von den Temperaturen. Zum Bespiel geben die Kühe weniger Milch, wenn es sehr heiß ist. Zurzeit gibt es bei uns 860 Milchkühe am Standort Lichtenberg sowie ca. 500 Jungrinder und 200 Kälber am Standort Ohorn, alle von der Rasse Holstein.

2014 haben wir unsere Anlage modernisiert. So wurde ein Roboterstall mit zwölf Melkrobotern und einer Kapazität für bis zu 720 Kuhplätzen gebaut, welche in vier Herden unterteilt sind. Die Ställe sind sehr modern mit viel Licht und Luft sowie Platz zum Laufen und Liegen. 2016 folgte der Reproduktionsstall, in dem unsere hochtragenden und frischabgekalbten Kühe untergebracht sind. Dazu kommt ein Kälberdorf mit Einzeliglus für die frischgeborenen Kälber. Mittlerweile bewirtschaften wir etwa 2400 Hektar.

4. War Herdenmanagerin schon immer Ihr Berufswunsch?

Schon als kleines Kind saß ich oft auf der Wiese und habe die Kühe auf der Weide beobachtet, weil ich die Tiere sehr interessant und spannend fand. Im Jahr 2003 habe ich dann die dreijährige Ausbildung zur Tierwirtin für Rinderhaltung absolviert und anschließend ein Jahr gearbeitet. Dann habe ich innerhalb von zwei Jahren meinen Abschluss zur Betriebswirtin in Freiberg gemacht. Zu dieser Zeit hielten sich die Jobangebote im Bereich Landwirtschaft noch in Grenzen. Ursprünglich war es mein Plan, Tiermedizin zu studieren, deshalb bin ich nach  Mecklenburg-Vorpommern gezogen, um dort vorerst in der Tiermedizin zu arbeiten. Da ich aber meine Heimat und Familie sehr vermisste, zog ich zurück nach Sachsen und fing hier im Betrieb an.

5. Was zählt zu den täglichen Aufgaben der Herdenmanagerin?

Während man bei der Herdenbetreuung hauptsächlich direkt mit den Tieren zusammenarbeitet, hat man in der Position als Managerin natürlich auch viele administrative Tätigkeiten. So sitze ich zu 50 Prozent in meinem Büro und die andere Hälfte der Zeit bin ich im Stall. Auch wenn heutzutage durch den technischen Fortschritt viel automatisiert ist, ist es wichtig, nie den respektvollen Umgang mit unseren tierischen Mitarbeitern zu verlieren. Denn nur Tiere, die sich wohlfühlen, erbringen gute Leistungen.

Mein Arbeitstag beginnt um sechs Uhr, der von den Herdenbetreuern schon um vier Uhr morgens. Als erstes gehe ich eine Runde durch den Stall, sage Menschen und Tieren „Hallo“ und frage die Mitarbeiter, ob es Auffälligkeiten bei den Kühen gab. Dann kontrolliere ich an meinem PC die täglichen Werte. Dabei achte ich auch auf Unstimmigkeiten, zum Beispiel im Hinblick auf die Milchmenge, Aktivität, Milchinhaltsstoffe und den Allgemeinzustand der Kuh.

Doch auch Technik kann nicht alles ersetzen, so checke ich die Tiere oft noch mal persönlich ab. Über die Zeit bekommt man auch ein gewisses Gefühl dafür, wenn bei einer Kuh etwas nicht stimmt, zum Beispiel durch untypisches Verhalten oder äußerlichen Veränderungen.

Gegen 15 Uhr bin ich mit meiner Arbeit meist fertig – aber ganz genau weiß man das nie. Schließlich sind Kühe Lebewesen und es kann immer etwas passieren.

6. Welchen Einfluss hat die Automatisierung der Milchproduktion auf die Berufsausbildung?

Sagen wir so: Es geht nicht ohne Technik, aber auch auf keinen Fall ohne den Menschen. Um ein gewisses Volumen zu erreichen, benötigt man automatisierte Prozesse. Zudem ergibt sich so die Gelegenheit, sich auf andere Tätigkeiten zu konzentrieren. So umgeht man die monotone Arbeit und es bietet sich ein abwechslungsreicheres Arbeitsfeld.

7. Was macht Ihnen an Ihrem Job am meisten Freude?

Nichts ist schöner als eine gesunde Kuh! Wenn es einer Kuh gut geht, dann weiß man, dass man seine Arbeit richtig macht. Man steckt zwar viel Kraft in die Versorgung der Tiere, aber die Kühe geben einem das auf ihre Art und Weise zurück. Außerdem hat es natürlich auch wirtschaftliche Vorteile, denn, wenn sich die Tiere wohlfühlen, geben diese auch mehr Milch. Trotzdem muss man immer im Blick behalten, dass man mit Nutztieren arbeitet und nicht mit Haustieren. Vielmehr geht um einen respektvollen Umgang mit den Kühen.

8. Was sollten zukünftige Herdenmanager/innen mitbringen?

Man sollte sich bewusst sein, dass man mit Lebewesen zusammenarbeitet, demzufolge auch am Wochenende und an Feiertagen. Die Kuh hört ja nicht einfach auf, Milch zu geben, wenn zum Beispiel Weihnachten vor der Tür steht. Die wichtigste Grundvorrausetzung ist jedoch die Affinität zu Tieren. Zudem sollte man kein Problem mit einem frühen Start in den Tag haben. So arbeiten wir im Zwei-Schichtsystem mit einer Früh- und Spätschicht.

9. Stimmt es, dass hauptsächlich Männer in dem Beruf tätig sind, beziehungsweise muss man sich als Frau in dieser Position gegenüber Männern des Öfteren beweisen?

Es arbeiten zwölf Frauen in unserem Betrieb, insgesamt sind wir 44 Mitarbeiter. So wie in vielen anderen Unternehmen in der Landwirtschaft, überwiegt das männliche Personal. Meines Erachtens gibt es jedoch keine großen Unterschiede zwischen weiblicher und männlicher Arbeit. Es zählt: Wer Leistung bringt, wird wertgeschätzt, egal welchem Geschlecht er angehört.

Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben und alles Gute für die Zukunft!