Folge 16: Thea, Mila und der Käsemond

Heute ist ein Tag, an dem überhaupt nichts Spannendes passieren will.

Es ist nicht besonders kalt, aber so richtig warm ist es auch nicht mehr. Die Laubblätter rascheln im Wind und ein Flieger zieht mit müdem Geheule über den Himmel, bis er nicht mehr zu sehen ist. 

Sogar der Bauer lässt heute alle Viere von sich gestreckt und schlürft genüsslich Tee. Er hat Besuch von seinen Enkelkindern. Gemeinsam sitzen sie in warmen Jacken eingepackt zwischen bunten Laubbäumen am Gartentisch. Die Kinder knabbern Nüsse und trinken warmen Apfelsaft. 

Milas Pläne mit dem Schal

Die Wiesen sind im Spätherbst kahl und die wenigen Grashalme, die sich noch tapfer am Leben halten, liefern kaum noch Nährstoffe. Für die schwarz-weiß gescheckte Thea und ihre Freundinnen gibt es da jetzt nichts mehr zum Knabbern. Deshalb stehen die Milchkühe bereits in ihrer Box im Stall und bekommen jeden Tag frisches Heu. 

Neben Thea hockt auf einem Strohballen das Mäuschen Mila und fuchtelt akribisch mit zwei langen Stäbchen herum. Mila ist in bester Plapperlaune. Sie hat große Pläne: „Thea, das wird famos. Es wird klappen. Du wirst schon sehen. Ich muss den Schal nur noch ein bisschen länger stricken.“ Thea hört ihrer besten Freundin aufmerksam zu. Aber als das Mäuschen mit Begriffen wie Lichtgeschwindigkeit, Umlaufbahn und Gravitatalon wild um sich schmeißt, – die kluge Thea weiß natürlich, dass es GravitaTION heißen muss – verliert die Kuh den Faden.

Auf zum Käsemond

Es dauert noch viele Stunden bis die Maus zufrieden aufsteht. Mit ernster Miene rafft sie den meterlangen Schal zusammen. Sie klettert mit dem einem Schal-Ende in der Pfote auf den Kopf von Thea und bindet ihn ihr mühevoll um den Hals. Das andere Ende bindet sich die kleine Mila selbst um den Bauch. Die Kuh betrachtet sich im Wasser der Futtertränke und ist ganz entzückt von ihrem eigenen Spiegelbild: „Schau nur Mila, wie toll ich aussehe. Das Gelb des Schals unterstreicht meine braune Augenfarbe ganz hervorragend.“ Mila, immer noch beschäftigt, platziert nun eine alte Bohnenbüchse direkt unter dem großen Dachfenster des Stalls. Als nächstes kramt sie hinter dem Strohballen noch ein altes Brett hervor und legt es über die Dose. Die Konstruktion ähnelt einer kleinen Wippe. 

Jetzt reibt sich das Mäuschen die Pfötchen und strahlt in Theas Gesicht: „Der Schal muss zwingend gelb sein. Gelb wie das Stoppelfeld im Sommer hinter dem Stall, gelb wie die Sonne und gelb wie Käse! Denn nur dann können wir mit dem Schal auf den Käsemond fliegen.“ 

Die Rückseite des Mondes

Thea will wissen, was die Maus auf dem Mond sucht. Dort gibt es schließlich nur Staub, Steine und gigantische Krater. Mila winkt ab und erklärt, dass die Rückseite des Mondes ihr Ziel ist und die sieht anders aus. Thea schmunzelt und muht sanft: „Aber du weißt schon, dass auf diese Seite noch nie eine Menschenseele ihren Fuß gesetzt hat? Und wir hier auf der Erde sehen auch immer nur die Vorderseite des Mondes. Außerdem ist die Rückseite nicht nur unerforscht, sondern auch zappenduster.“

Die Maus lächelt verschwörerisch und hüpft auf die Mitte der Wippe. Sie beginnt zu erklären: „Es hat sich vielleicht noch kein Mensch auf die Käseseite des Mondes gewagt, aber Mäuse schon! Laut der Überlieferung waren es Siegmaus Jähn und Juri Gagamaus, die es bis dorthin geschafft haben. Sie sendeten damals eine Nachricht zurück an die Erde: > Mond. Rückseite. Gigantischer Käse. Kommt alle. < Mittlerweile lebt dort angeblich eine ganze Kolonie Mondmäuse.“

Ein Katapult zum Käsemond

Jetzt setzt sich Mila einen kleinen Walnussschalen-Helm auf das Köpfchen und deutet Thea an, die Schweißerbrille und die Lärmschutzkopfhörer vom Bauer aufzusetzen. Voller Stolz sagt sie: „Wir kapatulpieren … katatul … katapulieren mich jetzt auf den Käsemond! Ich setze mich auf die obere Seite der Holzwippe und du trittst mit voller Kraft auf die andere Seite. Nach meinen Berechnungen fliege ich direkt durch das offene Dachfenster hinaus in den Orbit.“ Thea geht plötzlich ein Licht auf: „Und durch den festgebundenen gelben Schal kann ich dich wieder zurückziehen.“ „Korrekt!“, strahlt die abenteuerlustige Maus.

Der finale Countdown

Thea bleibt keine Zeit für weitere Fragen. Das graue Mäuschen beginnt rückwärts zu zählen: „5, 4, 3, 2, 1 – Abschuuuuuuss!“
Jetzt stapft Thea so fest sie kann auf das Holzbrett. Die Maus pfeffert in Raketengeschwindigkeit durch das offene Dachfenster. Der Schal fliegt meterweit hinterher. Thea steht noch immer fest auf dem Boden und schaut ihrer Freundin und dem Schal hinterher.

Es dauert nicht lang und die gelbe Sicherheitsleine mit der Maus verschwindet fast vollständig im Himmel. Dann spannt sie sich plötzlich wie ein Gummiband. Wie von Zauberhand verwandelt sich der Schal in einen langen, geschmolzenen Käsefaden, der sich immer weiter in die Höhe ausdehnt. 

Schließlich hebt auch Thea ab. Die große Milchkuh traut ihren Augen nicht. Sie blickt nach unten zu ihren kleiner werdenden Freundinnen, dann nach oben zum immer näher kommenden Mond. Flüsternd muht sie: „Mila … es war doch nur Spaß. Es war doch nur ein Spaß. Oder? Ich bin jetzt unterwegs …“ 

Im Stall stehen die Kühe und glotzen, während Thea sanft aus dem Dachfenster hinaus schwebt.

Zauberhaft vorgelesen: Thea & Mila als Hörspiel

Episode 04

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